21. Januar 2013


Hatte eigentlich nicht vor, auch heute noch zu fahren, aber weil der Alte mich so nett darum bat, ging ich noch für einige Stunden raus. Zwei Touren, einmal nach Virrat und einmal nach Kaukajärvi, und schon war die Schicht erledigt. 

Ich versprach ja, im letzten Beitrag Bilanz zu ziehen. Dann mach ich das jetzt auch. Ich begann Taxi zu fahren, als ich mein Lehrertraining absolvierte und einen Weg finden musste, außerhalb der normalen Arbeitszeiten Geld zu verdienen. Ich hatte bereits  drei Kinder, die ernährt werden mussten, aber Tagsüber war ich eben in der Schule und machte dieses Training. Taxi war die Lösung. Von dieser mir gänzlich neuen Welt wollte ich auch anderen berichten. Finnische Taxiblogs auf finnischer Sprache gab es bereits einige, da waren keine neuen nötig, aber vielleicht konnte ich von der Branche völlig fremden Menschen erzählen? Auf welcher Sprache denn? Die Alternativen waren entweder Deutsch oder Englisch. Nun kamen auch andere Interessen in Bild. Englisch ist in diesem Land überall präsent, im Kino, Fernsehen, Radio, Videospiele, Internet, aber Deutsch nicht. Ich selbst hatte das Problem, dass ich zwar wissenschaftliche und sonstige formale Texte relativ gut verfassen konnte, aber seitdem ich nicht mehr in Deutschland wohnte, fehlte mir die Möglichkeit, mich auf dem alltagssprachlichen Niveau zu äußern, d.h. so zu schreiben, wie Menschen normalerweise schreiben (und auch sprechen). Das wollte ich nun versuchen, obwohl ich wusste, dass ich das Risiko wage, mit meinem begrenzten Sprachkenntnissen den Muttersprachlern so richtig auf den Keks zu gehen. Es entstand  eine komische Randerscheinung, ein deutschsprachiges Taxiblog aus Finnland. Mit der Sprache war aber auch das Problem der Anonymität gelöst. Oder was glaubt ihr, wie viele Taxi-Kollegen es gibt in Tampere, die Deutsch verstehen? Ich konnte ruhig schreiben, was ich wollte.

Auch statistisch gesehen ist mein Blog eine Randerscheinung. Heute werden rund 1 500 Besucher im Monat gezählt. Die Gesamtzahl der Seitenaufrufe liegt knapp über 15 000, von denen die meisten Aufrufe nach meinem Comeback vor ungefähr einem Jahr registriert wurden. Eher magere Zahlen im Vergleich zu TorstenSash und Mia zum Beispiel, die mit ihren Hunderttausenden und Millionen in völlig anderen Sphären fliegen. Aber ich kann mit meinen Besucherzahlen zufrieden sein, vor allem wenn man bedenkt, dass, zusätzlich zu dem, was ich oben sagte, meine Webpräsenz gleich null war. Ich möchte noch vermerken, dass es eigentlich keinen Sinn hatte, eine Blogroll einzurichten, denn viele von euch kennen bereits die Taxi-Blogs, die ich lese. Ich lese deutschsprachige Taxi-Blogs, ansonsten verfolge ich keine Blogs. Sie sind nicht mein Ding. Die Top-fünf-Länder, aus denen die Besucher kommen, sind: Deutschland, Vereinigte Staaten, Finnland, Frankreich und die Schweiz. Dabei sind einige Überraschungen: die USA? Frankreich? Und wo ist Österreich? Auf Twitter versuchte ich anfangs auch ein bisschen was zu schreiben, beschloss mich aber sehr bald, nur Fakten der langen Touren, die das Besondere in meiner Taxi-Karriere darstellen, wiederzugeben.

Die langen Touren. Ich hoffe, niemand glaubt jetzt aufgrund meines Blogs, so einfach und lukrativ wie in meinem Fall ist Taxifahren generell in Finnland. Was die langen Touren angeht, bin ich wirklich eine Ausnahme, auch wenn ich das selbst sage. Teils Glück, teils Können und teils... Na ja, besprechen wir doch die zwei ersten zuerst. Glück ist eine Größe, der Taxler immer ausgesetzt sind. Nie weiß man, wer als Nächstes einsteigt und wohin die Fahrt geht. Und ich habe einen unglaublichen Schwein mit meinen Touren gehabt. Können ist so weit im Spiel, dass da ich Sohn einer pensionierten Oberkrankenschwester des Uniklinikums bin, kenne ich den Rhythmus des Hauses. Zwischen 8 und 9 werden oft Exemplare, Blut und Patienten, die noch am selben Tag behandelt werden müssen, nach verschiedenen Instituten und Krankenhäusern losgeschickt. Dann ist Ruhe. Kurz vor 12 werden Patienten, die weit weg wohnen, aber nicht essen wollen, auf den Weg nach Hause gesetzt. Dann passiert in zwei Stunden wieder kaum was, bis dann ab halb 2 Patienten, die gegessen haben, nach Hause geschickt werden. Diese Hochsaison dauert bis ca. 17 Uhr, wo die Patienten, die nur einen Tagesbesuch benötigten, in ihren Heimatort fahren. Es lohnt sich also nicht, den ganzen Tag am Uniklinikum zu stehen, sondern nur zu bestimmten Zeiten. Der dritte Faktor waren dann Frau S. und die Damen der Zentrale (zu denen zähle ich auch die ein paar Herren, die dort arbeiten). Sie haben mich des Öfteren beglückt, da bin ich mir sicher. Warum, ist mir unklar geblieben. Soweit ich weiß, kenne ich keine von ihnen. Frau S. hat möglicherweise Augen für mich, aber gewiss ist das nicht. Ich werde das auch nicht herausfinden wollen.



Schwiegervater meines ältesten Sohns und Freund seit der 6. Klasse hat mich bei den Vorbereitungen zum Lachsfischen fotografiert. Feriendorf Reisti, Outakoski, August 2012.

Der Untertitel bekam im Frühjahr 2012 das längst fällige "und andere Erzählungen" angehängt. Ich hatte schon lange über andere Gelegenheiten, als nur über die gute Branche berichtet, und fand das daher auch sehr angemessen. Über die Zeit kommentierte ich die US-Präsidentschaftswahlen, Rederecht der Parlamentarier, H1N1-Impfungen, Qualität unserer Lokalpresse und was weiß ich noch was alles. 

Jeder Taxifahrer hat auch ein Privatleben. Teilzeitfahrer sogar noch eher. Meine Leser haben erfahren, dass ich aus der Mittelschicht komme, dass ich früher mal Hausbesetzer in Berlin war und dass ich seit Ewigkeit Universitätsstudent und werdender Lehrer bin. Ich habe über den Tod meines Vaters, über Urlaubsreisen der Familie und meine Leidenschaft für Fliegenfischen berichtet. Und über meine Verliebtheit und Trennung. Das erste war ein Gefühl, das ich so noch nie erfahren hatte. Plötzlich war ich wegen einer unbekannten Frau orientierungslos als wäre ich gegen die Wand gefahren. Von Anfang an war mir klar, dass es mit ihr aussichtslos war. So trat ich auf die Bremse so hart, es nur ging. Trotzdem gelang  es mir, auch den kleinen übrig gebliebenen Rest zu vermasseln. Perfektion begegnet man selten, aber manchmal. Sie war einfach unwiderstehlich. Das zweite war logische Folge dessen, was passiert war. Ich musste zugeben, ich lebte mit einer Frau zusammen, für die ich gar keine Gefühle mehr übrig hatte, von Frust und Ärger abgesehen vielleicht. Ich zog die Konsequenzen, obwohl ich wusste, es würde bedeuten, dass ich allein bleiben würde. Aber wie ich damals schon sagte, wir sind hier nur einmal. Für eine andauernde Lüge ist diese kurze Zeit zu wertvoll. Schade um die Kinder, sicher, andererseits ist es aber auch so, dass zu viele Kinder unter der Kälte und unter der Emotionslosigkeit der Beziehung ihrer Eltern gelitten haben. Unsere Kinder werden nicht zu denen gehören. Ich habe die Kinder fast die Hälfte der Zeit bei mir, oder je nach Abmachung, und ich sehe sie auch fast täglich. Sofern bin ich zufrieden.

Und nun? Fürs Frühjahr werde schon ausreichend Lehrervertretungen finden. Und später dann auch eine feste Stelle. Im Juni werde ich wieder mit den Kids eine Auslandsreise machen, möglicherweise nach Spanien, weil sie noch nie im Flugzeug waren und weil ein Strandurlaub mit kleinen Kindern sinnvoller ist als ein Stadturlaub. Kinder wollen spielen und keine Skulpturen und alten Gebäude sehen. Später im Juni beginnt dann eine neue Lachssaison. Mindestens zwei Reisen in den Norden stehen auch dieses Jahr auf dem Programm. Was gibt's denn Neues? Ich habe ein bisschen was geerbt. Es sind keine Hunderttausenden, aber immerhin so viel, dass in der letzten Woche in der Bankfiliale zum ersten Mal in meiner Gegenwart ein Satz gesprochen wurde, dessen zwei wichtigsten Konstituenten "Termin" und "Finanzberater" waren. Ich fand das irgendwie witzig, denn ich bin absolut kein Typ, der auf Mammon steht. Woran ich zunächst einmal gedacht habe, ist ein kleines Segelboot auf See Näsijärvi und segeln lernen. Das könnte etwas sein. In meinem Leben kann ich also einen klaren Aufwärtstrend erkennen. Dazu kommt noch, dass ich von meiner Grundstimmung her ein sorgloses Frühlingskind bin: ich kann Leben nicht allzu ernst nehmen. Das geht einfach nicht. Ich glaube immer noch naiv, ich werde es schon schaffen. Ich hoffe, ihr werdet das auch. 

Zum Schluss noch ein Song. Was die Popmusik angeht, stehe ich auf Bands wie AC/DC, Judas Priest etc., aber auch sehr auf Britpop oder alternativen Pop wie auf Pulp, Primal Scream, Stone Roses, Happy Mondays, Travis, U2 (ja, auch) usw., sowie auf Moby und Falco, dessen Album "Falco 3" ich damals total gern gemocht habe. Zugegeben, bei mir tritt die Entwicklung einigermaßen auf der Stelle. Aber was soll's. Zum besonderen Anlass habe diesmal etwas Feines ausgesucht.

So, liebe Leser/innen, ich habe zumindest vorläufig die letzte Taxischicht hinter mir. Die Zeit ist also gekommen, auch hier den längst ausgedachten letzten Satz zu schreiben: Mit diesen Worten beende ich die Sendung aus dem hohen Norden.

Zum Song

14. Januar 2013


Ich hatte von vornherein beschlossen, nur von Uniklinikum aus zu fahren, und auch diesmal ging für mich die Rechnung auf. Ich fuhr drei Touren, 13,80 €, 81,80 € und 210 € und verbrachte die übrige Zeit quatschend mit dem schwedischsprachigen Kollegenvon dem früher schon mal die Rede war. Er war mit seiner Frau auf Teneriffa gewesen und war nun in bester Laune und allein deshalb gute Gesellschaft. Also, wie schwer ist Taxifahren nun wirklich? :)

9. Januar 2013


Endlich der Tag der Abgabe. Welch eine Erleichterung!

7. Januar 2013

Zu Beginn der Fahrt hatte er Geld, am Ziel dann nicht. Penner. Buchstäblich diesmal. Ich dachte schon gleich am Anfang, die Fahrt könnte böse enden, und so tat sie dann auch. Das Fahrziel war eine Notunterkunft für Menschen der Straße in Hervanta, wo sich herausstellte, in Wirklichkeit hatte dieser Herr so gut wie kein Geld. 

Ich habe selbst in meinen wilden Jahren vorm Charlottenburger Rathaus in Berlin geschnorrt und zum Teil davon auch gelebt. Ich weiß, wie das ist, wenn man gar nichts hat, und deshalb hält sich noch heute meine Arroganz diesen Leuten gegenüber in Grenzen. Aber dieser Typ hatte mich mit Absicht reingelegt und das ärgerte mich schon. Nun wollte er am nächsten Tag zahlen. Er schaffe das schon, garantiert. Zum Pfand gab er mir sein Portemonnaie, das 80 Cent, einen abgelaufenen Personalausweis und sonst gar nichts beinhaltete. Na gut, dachte ich mir. Wollen wir doch mal sehen, wie diese Geschichte ausgehen wird.

Gestern um 18 Uhr trafen wir uns wie abgemacht. Und sieh an! Mit 2-Euro-Münzen bezahlte er die Summe, die er mir schuldete. Es fehlte eigentlich noch ein Euro, aber da ich ahnte, welche ganz besondere Anstrengung das Einsammeln dieses Geldes für ihn hatte bedeuten müssen, machte ich keine Nummer daraus, sondern reichte ihm nur meine Hand und ging dann wieder. 

5. Januar 2013

Januar ist traditionell ein harter Monat fürs Taxi. Das machte sich gestern auch bemerkbar. Ich begann die Schicht um 12.00 und, obwohl ich auch einmal nach Parkano fuhr, hatte ich um 02.30 gerade mal 290 € Umsatz. Traurig. Ich stellte das Auto ab und ging schlafen, zwei und halb Stunden vor dem offiziellen Schichtende. Ein unprofessioneller aber vernünftiger Entschluss.

2. Januar 2013

Die letzte Nacht des Jahres war mit einem Umsatz von rund 650 € finanziell gut. Die Nacht war auch in der Hinsicht ein Abbild von 2012, dass sie eine längere Tour (Ruovesi) vom Uniklinikum und zahlungskräftige, gutgelaunte Fahrgäste beinhaltete, die kein Scheiß bauten, mal salopp ausgedrückt.
Eine Bilanz werde ich im letzten Beitrag, der in absehbahrer Zukunft erfolgt, ziehen. Bis dahin dauert's aber noch einige Tage.

Nun wünsche ich allen ein erfolgreiches Jahr 2013!

31. Dezember 2012

Es gibt ja Gründe, dem Taxifahrer Trinkgeld zu geben.Gestern kam ein ganz neuer dazu. Ein Betrunkener gab mir 2 Euro, weil ich mich verweigert hatte, das Radio anzumachen. Ich höre selten Radio, wenn ich fahre, lieber höre ich dem Motor und sonstigen Geräuschen zu und gebe meinen Gedanken freien Lauf. Außerdem halte ich die Playlists nicht mehr aus, und Sprachprogramme verlangen wiederum Konzentration, die eigentlich dem Straßenverkehr gewidmet werden sollte. Also bleibt das Radio ausgeschaltet, oft auch gegen den ausdrücklichen Wunsch der Kundschaft. Die Frage des gestrigen Fahgastes, ob man nicht Radio hören wolle, beantwortete ich mit einem Nein, was mir am Fahrziel mit der Begründung: „Selten begegnet man Leute, die stilles Fahren schätzen” gutgeschrieben wurde.